Gedanken-Overload?
„Ich denke, also bin ich“ – ja da ist was dran – allerdings zerfällst du nicht zu Staub, wenn du mal nichts denkst. Unser Verstand ist ein wunderbares Werkzeug der uns hilft unseren Alltag zu strukturieren, die Steuererklärung zu machen oder Webseiten zu programmieren. Wo er aber fehlt am Platz ist: wenn wir einschlafen wollen, bei der gemeinsamen Zeit mit unseren Lieben, wenn wir das Leben genießen wollen.
Ich höre oft „Ja, aber wie soll ich das denn machen nicht zu denken? In meinem Kopf sind immer 50 Tabs offen.“ Kann es sein, dass die viele Denkerei dir dabei „hilft“ dass du nicht fühlen musst? Sie dich also auf ihre Weise vor Emotionen beschützt? Wenn man z.B. als Kind gelernt hat, dass es besser ist nicht zu fühlen, bzw. die Gefühle zu zeigen, dann hat sich diese Strategie so in diesem Menschen gefestigt, dass er gar nicht mehr weiß, wie fühlen geht und alles rationalisiert – eine Form des Selbstschutzes. Leider geht damit auch etwas verloren: Wenn der Verstand alles kontrolliert haben die Gefühle nicht mehr viel zu melden.
Wenn dann der Partner eines solchen „Verstandes-Menschen“ unvermittelt Gefühle zeigt, weiß dieser nicht wie er darauf reagieren soll. Denn meistens möchte ja der „Gefühlsmensch“ gerade keine guten Ratschläge oder logischen Tipps, sondern einfach mal in den Arm genommen und angehört werden – oder die Frage hören: „was kann ich für dich tun?“
Wie kann die ausufernde Denkerei jetzt reduziert werden? Denken an sich ist ja nicht verwerflich – nur, wenn ich alles „zerdenke“ bleibt schlicht keine Zeit mehr fürs Leben. Denn: ein klarer Geist verzettelt sich nicht in Details – weiß wann er Ruhe geben kann und setzt die richtigen Prioritäten.
Erste Hilfe um die Gedankenflut einzudämmen.
Der erste Schritt um die Dauerschleife des Denkens zu durchbrechen: mach eine Minute etwas anderes!
Gehe vom Denken ins Wahrnehmen. Such dir aus den folgenden Übungen jeweils eine aus und mache das für kurze Zeit. Der Trick dabei ist: dein Geist kann eine Minute akzeptieren – er muss ja nicht für 15 Minuten schweigen (würde er sowieso nicht schaffen). Du kannst dann auf 2 oder 3 Minuten steigern.
- Sehen
Nimm dir einen beliebigen Gegenstand, zum Beispiel einen Kugelschreiber. Sieh ihn dir genau an. Nimm alle Details wahr. Betrachte ihn von allen Seiten – schaue dir direkt von unten die Mine an. Denke dabei nichts. Wenn du diese Übung weiterführst, kannst du sogar deine Vorstellungskraft schulen: Schaue dir den Kugelschreiber an, schließe kurz die Augen und stelle dir das Gesehene so realistisch wie möglich vor. Öffne wieder die Augen und vergleiche das reale Bild mit dem vorgestellten. Wiederhole das ein paar Mal. - Hören
Nimm die Alltagsgeräusche um dich herum wahr – sei es das Vogelgezwitscher oder der Nachbar, der gerade den Rasen mäht. Wichtig: ohne innerlichen Kommentar 😉 - Fühlen
Nimm mehrmals am Tag bewusst deine Füße wahr – in der Ruhe und in Aktion (wie fühlen sich deine Fußsohlen an, wie die Fußzehen?) Wenn du Schmerzen an einer bestimmten Stelle des Körpers hast: Fühle den Schmerz, nimm ihn wahr, ohne zu beurteilen (das lässt ihn manchmal sogar verschwinden). - Schmecken
Wenn du Tee oder Kaffee trinkst, schenke dieser Tätigkeit deine volle Aufmerksamkeit – wende dich von PC, Fernseher, Zeitung ab und genieße jeden Schluck. - Atmen
Beobachte, wie dein Atem ein und ausfließt, konzentriere dich für 3 Atemzüge nur auf den Atem
Übung um schnell einzuschlafen
Diese Übung habe ich neulich irgendwo gelesen – wenn ich die mache kann ich innerhalb von wenigen Minuten einschlafen:
1. ich überlege mir ein Wort – z.B. WALDRAND
2. ich überlege mir ein Wort das mit „W“ beginnt – nehmen wir mal Wasserfall – dann stelle ich mir einen Wasserfall vor mit etwas ungewöhnlichem – z.B. über dem Wasserfall schwebt ein Heißluftballon und ein Affe sitzt drin. Dann nehme ich den nächsten Buchstaben aus dem Wort – also ein „A“ hier wieder dasselbe Spiel…
Ich kann euch verraten dass ich meistens nach dem 3. oder 4. Buchstaben eingeschlafen bin. Warum das so schnell geht? Weil wir nur einschlafen können, wenn die Gedanken ruhig werden und stattdessen die Phantasie das Ruder übernimmt.
Bewusst den Atem zählen
Ja hört sich komisch an, aber das bewusste zählen der Atemzüge beruhigt den Geist. Diese Übung habe ich kennengelernt, als ich auf einem Zen-Schweigeretreat war. Beginne mit 15 Minuten Dauer. So gehts:
- Sitze an einem ruhigen Ort
- Konzentriere dich auf deine Atmung
- Du atmest ein und aus und denkst dabei die Zahl „EINS“
Nächster Atemzug „Zwei“, usw. - Wenn du bei „ZEHN“ ankommen bist beginsst du wieder mit „EINS“
Im Retreat dachte ich bei der Übung „wow, geht doch ganz einfach – doch dann erwischte ich mich, wie ich beim zählen bei der 23 war… Geht nämlich auch: ein Gedanken-Teil von dir zählt und ein andere ist unaufmerksam.
Und hier die Königsdisziplin – Vollkommene Achtsamkeit:
Setzte dich z.B. auf eine Bank in den Park und nimm die Natur war, die vorbeieilenden Menschen, achte auf Geräusche und Gerüche, nimm wahr wie dein Körper sich gerade anfühlt, atme bewusst ein und aus.
Damit kommst du in deine Mitte und entspannst.
Das hab ich gemacht, als ich letztes Jahr in REHA war – hat anscheinend eine entspannende Wirkung auch auf das Umfeld: die anwesenden Wildgänse kamen über die Wiese zu mir und machten neben meiner Bank ein Nickerchen. 😉